Vor einem roten Hintergrund ist eine gelbe Sonne gemalt. Darunter steht das Zitat: "Obwohl es mir an nichts Lebensnotwendigem mangelte, war ich lustlos und bedrückt."

Sonne im Herzen

Im Frühling 2021 hatten mein Mann Paul und ich uns in der Lock-Down-Lage eingerichtet und uns ein Tagesgerüst erarbeitet: Aktivitäten im und außer Haus. Dazu gehörten ein Spaziergang am Vormittag und ein längerer am Nachmittag. Wir zelebrierten Kochen und Essen, lasen uns Märchen vor und hatten Hand- und Näharbeiten als Projekte angelegt.

Einmal mehr war es Zeit für den Montagmorgen-Spaziergang: kalt, sonnig, die Straßen leer und leise, der Himmel blau und ohne Kondensstreifen, meine Stimmung miserabel. Ich fühlte mich traurig und dachte: „Wie viel Lebenszeit verbringe ich in Abgeschiedenheit, auch ohne Kontakt zu unseren Kindern?“ Obwohl es mir an nichts Lebensnotwendigem mangelte, war ich lustlos und bedrückt.

Wir trotteten unseren Weg entlang. Dabei kamen wir an einem eingezäunten Wiesengrundstück vorbei, auf dem unser Bekannter Norbert seinen beiden großen Hunden gerade Auslauf gewährte. Als wir uns näherten, stürmten die Hunde bellend an den Zaun. Obwohl die beiden Riesen gut erzogen sind, rasen sie stets mit einem Affentempo herbei, sobald wir auf der anderen Seite des Zaunes vorbeigehen. Keine Ahnung, ob die Hunde sich freuen oder uns vertreiben wollen. Ich verstehe ihre Hundesprache nicht und erschrak einmal mehr über ihre Heftigkeit.

Norbert, ein Zweimetermann mit tiefer Stimme und bedächtigen Bewegungen, tauchte aus dem Hintergrund auf, um nachzuschauen, was los sei. Als er uns erkannte, kam er an den Zaun, die Hunde beruhigten sich und es entspann sich eine Plauderei über Gott und die Welt, nichts Besonderes, nichts von ‚Relevanz‘: – Wie geht’s? – Na ja! – Nix los heute. – Hm. – Wenig Leute unterwegs. – Joa. –Was macht deine Frau? – Wir könnten ja mal ein Lagerfeuer machen und uns draußen treffen! – Das wäre toll!

So ging’s ein paar Minuten hin und her. Wir verabschiedeten uns mit gegenseitigen guten Wünschen und Grüßen und setzten unseren Weg fort. Plötzlich war mein Gang leichter, Geist und Herz waren freier, die Sonne schien tatsächlich. Uns – Paul erging es wie mir – wurde in diesem Moment klar, wie wichtig tatsächliche Begegnungen sind. Begegnungen ohne Zweck, einfach so, kurzer Austausch, Worte von Mensch zu Mensch, nicht nur mit der engsten Familie.

So verwandelte Norbert, ohne dass er eine Ahnung davon hatte, meinen trüben Tag in einen hellen und sonnigen.