Zwei Frauen sitzen nebeneinander auf der Bühne. Eine Frau versteckt sich unter einer großen, blauen Plastiktüte. Die andere Frau erzählt etwas.

Menschen mit und ohne Psychotherapie- und Psychiatrie-Erfahrung dekonstruieren spielend Stereotype

Inzwischen blickt das TPZ Hildesheim auf eine Vielzahl gelungener entstigmatisierender Theaterprojekte mit Spieler*innen mit und ohne Psychotherapie- und Psychiatrie-Erfahrung zurück. Alles begann in der Spielzeit 2013/14 mit der Inszenierung „Sommernachtsträume an der A7“. Das auf dem Shakespeare-Klassiker basierende Langzeit-Theaterprojekt lud dazu ein, eigene Grenzen und Hemmungen wahrzunehmen und mit ihnen selbstbestimmt umzugehen, um eine passende Rolle für sich zu finden. Die Teilnehmenden konnten entscheiden, ob sie Held, Fee, Clown oder ein ganz eigener Charakter der Moderne sein wollten.

Mit dem Projekt bot die KulturStation der Universität Hildesheim in Kooperation mit dem TPZ Patient*innen des Ameos-Klinikums die Möglichkeit, kulturell zu partizipieren und dabei auch in Austausch mit weiteren kulturinteressierten Hildesheimer*innen zu treten. Mit zehn 25- bis 70-jährigen Spieler*innen mit und ohne Psychotherapie- und Psychiatrie-Erfahrung probten die TPZ-Theaterpädagog*innen Johanna Grote, Suse Wessel und Karu-Levin Grunwald-Delitz 9 Monate lang im Klinikum: In Improvisationen trafen Elfen, Handwerker und Liebespaare aufeinander. Auch mit Mitteln des chorischen Theaters, mit choreografischen Elementen und Fantasiesprache wurde experimentiert. Die Inszenierung wurde im Klinikum öffentlich präsentiert.

2014: Nährwert

Auf die guten Erfahrungen der „TheaterStation“ aufbauend, realisierte das TPZ 2014 in HAWK und Universität Hildesheim „Nährwert“, ein Theaterprojekt von und mit Erwachsenen mit und ohne Psychotherapie- und Psychiatrie-Erfahrung zum Thema körperliche und geistige Nahrung. Im Juli 2014 luden die 12 Teilnehmenden dazu ein, von Luft zu leben und zum ersten Mal öffentlich das „ultimative Elixier zur Senkung des Krebsrisikos“ zu verkosteten. Zuvor hatten sie sich unter Leitung der Theaterpädagog*innen Johanna Grote und Karu-Levin Grunwald-Delitz dem Thema über theaterpädagogische Übungen und den Austausch persönlicher Erfahrungen, Ansichten und Fragen angenähert. In der performativen Szenen-Collage „Mahlzeit!“, die Grenzen und Hemmungen auslotete und erweiterte, wurden schließlich im Kulturbrunnen Algermissen und in einer Uni-Cafeteria biografische Geschichten mit Ausschnitten aus Märchen und Romanen verflochten.

2015/16: Schräge Vögel

Fünf Monate lang versammelten sich unter der theaterpädagogischen Leitung von Karu-Levin Grunwald-Delitz und Silke Pohl im Projekt schräge Vögel: alle, die etwas anders sind, waren oder gerne sein würden. Über Recherchen zu schrägen Vögeln in der Natur sowie über biografische Geschichten fand die Gruppe mehr über kleine, große und alltägliche „Macken“ heraus: Individuelle Eigenheiten und psychische Erkrankungen waren das Thema des generationsübergreifenden Projektes von und mit Erwachsenen mit und ohne Psychotherapie- und Psychiatrie-Erfahrung. Außerdem wurde ein Blick darauf geworfen, wie die „normalen“ Vögel auf die „schrägen“ schauen.

Die Ergebnisse wurden in Form der Szenen-Collage „Schräge Vögel – anders als andere“ im Mai 2016 bei zwei öffentlichen Aufführungen mit Nachgespräch im Hildesheimer Literaturhaus St. Jakobi und in den Gronauer Lichtspielen präsentiert. Weitere Informationen über „Schräge Vögel“ gibt es auf dem Blog des Projektes unter https://schraegervogel.wordpress.com.

2017: mittelmäßig (:) gut

Wie gut ist eigentlich gut genug? Was und wie viel muss ich leisten, um anerkannt zu werden und mich selbst anzuerkennen – vor allem in diesen Zeiten der Superlative? Schließlich will doch jede*r Deutschlands next Topmodel sein, ein Supertalent, The Voice oder zumindest das perfekte Dinner servieren. Doch ist das realistisch? Und tatsächlich erstrebenswert?

Mit Fragen wie diesen setzten sich im Theaterprojekt „mittelmäßig (:) gut“ des TPZ von Januar bis Oktober 2017 Erwachsene mit und ohne Psychotherapie- und Psychiatrie-Erfahrung auseinander. Zum Thema Mittelmaß recherchierten sie, befragten einender und andere Hildesheimer*innen und suchten nach Alternativen zum Streben nach immer höher, weiter und mehr.

Unter der theaterpädagogischen Leitung von Karu-Levin Grunwald-Delitz und Silke Pohl präsentierten sie im Theaterhaus Hildesheim und in der KGS Gronau insgesamt dreimal einen Theaterabend rund um Mittelmaß, Konkurrenz- und Show-Kultur. Mehr Informationen sind im Blog des Projektes nachzulesen: https://mittelmaessigerblog.wordpress.com/.

„TheaterStation“ war ein Projekt der „KulturStation“ (Kooperationsprojekt zwischen dem center for lifelong learning cl3 der Stiftung Universität Hildesheim und dem Ameos-Klinikum Hildesheim) und dem Theaterpädagogischen Zentrum (TPZ). „Nährwert“ wurde gefördert von Aktion Mensch, der Johannishofstiftung und dem Landkreis Hildesheim. „Schräge Vögel“ wurde gefördert von Aktion Mensch, der Johannishofstiftung, dem Landschaftsverband Hildesheim e. V. und dem Landkreis Hildesheim. Das Projekt „mittelmäßig (:) gut“ wurde ermöglicht durch Aktion Mensch, Johannishof Stiftung, Landschaftsverband Hildesheim und Wülfing Impuls.

„Worte und Bilder bestimmen unser Denken. Manchmal geben sie Hoffnung. Entscheidend ist, dass sie uns helfen zu lernen. Was wir zu lernen haben, ist so schwer und doch so einfach und klar: Es ist normal, verschieden zu sein.“

Teilnehmer*in über „Schräge Vögel“,

Bildergalerie aus „Schräge Vögel“

Bildergalerie aus „Nährwert“

Bildergalerie Theaterstation: „Sommernachtsträume an der A7“