Eine junge Frau steht in der Mitte eines Raumes und blickt in die Kamera. Im Hintergrund befindet sich eine Gruppe von Jugendlichen. Sie stehen mit dem Rücken zu den Betrachtenden und haben die Köpfe gesenkt.

„Ich habe gelernt, Geschichte an mich heranzulassen“

Vom Volksfestplatz bis zum Hildesheimer Marktplatz: Die historischen Spuren der Zwangsarbeit kreuzen fast täglich unsere Wege. Auf dem Volksfestplatz wurde während des Nationalsozialismus‘ ein großes Arbeitslager errichtet, auf dem Marktplatz wurden ausländische Zwangsarbeiter*innen gehängt. Firmen wie die Trillke-Werke der Robert Bosch GmbH und die Vereinigten Deutschen Metallwerke (VDM) haben im Nationalsozialismus Zwangsarbeiter*innen eingesetzt – und einige dieser Unternehmen existieren noch heute. Unter der theaterpädagogischen Leitung von Sinje Kuhn, Tom Martens und Reiner Müller haben sich während der Spielzeit 2018/19 insgesamt 40 Schüler*innen aus den zwölften Klassen der Robert-Bosch-Gesamtschule intensiv mit dem Schicksal dieser Zwangsarbeiter*innen während des Nationalsozialismus auseinandergesetzt. „In den Proben habe ich gelernt, Geschichte an mich heranzulassen“, so eine Schülerin nach der Premiere des Theaterprojekts.

Von der Idee zur Projektentwicklung

Mit Klaus Schäfer vom Projekt „Vernetztes Erinnern“ wurden Erinnerungsorte in und um Hildesheim aufgesucht. Recherche-Ergebnisse wurden mit Hilfe ästhetischer Prozesse gestaltet und durch Theaterübungen wurden die körperlichen Ausdrucksmittel trainiert. Die Teilnehmenden trugen maßgeblich zur Entwicklung des Stücks bei. Sie entschieden, welche Geschichten in die Inszenierung mit einfließen sollten und welche Rolle sie selbst darin spielen wollten. Besonders ein Zitat blieb den Schüler*innen dabei im Gedächtnis: „Die Deutschen müssen sich nicht entschuldigen, weil die meisten nicht einmal mehr Zeitzeugen kennen. Aber vergessen sollen sie uns auch nicht.“

Parallel zur Entwicklung der Inszenierung befassten sich 17 Schüler*innen des Kunstprofils unter der Leitung von Gabriela Winkler mit dem Thema „Zwangsarbeit in Hildesheim während der NS-Zeit“ und besuchten als Zuschauende erste Szenen-Präsentationen des Geschichtsprofils. Ihre Eindrücke und die Ergebnisse ihrer Recherchen nahmen sie als Thema für graphische Arbeiten.

Im Juni 2019 fand schließlich die Premiere unter dem Titel „Vergessen sollen sie uns nicht“ in der Rasselmania-Fabrikhalle in Hildesheim statt. Chorisch und dialogisch, fiktiv und dokumentarisch, historisch und biografisch, textbasiert und bewegungsorientiert, informativ und bewegend konnte das Projekt einen Beitrag zur Geschichtsarbeit in Hildesheim leisten und Erinnerung lebendig machen.

Aufgrund der positiven Resonanz entwickelte das TPZ einen Workshop, der von zwei Theaterpädagog*innen geleitet wird. Hier können sich Schüler*innen aktiv mit dem Schicksal von Zwangsarbeiter*innen auseinandersetzen und dabei Bezüge zu ihrem eigenen alltäglichen Leben darstellen. Mehr Informationen zum Workshop erhalten Sie hier.

Die Ergebnisse des Theaterprojekts wurden zudem in einer Broschüre festgehalten, die sie hier herunterladen können: Vergessen-Dokumentation-2020-02-14b

„Dort, wo die Leute hingen, ist nun ein Klettergerüst für die Kinder. Am Gerüst ist eine Deutschland-Flagge gehisst, was ich ziemlich seltsam finde.“

Text eines Schülers, 2018